Klar hatten wir es schon vorher befürchtet, aber durch Gespräche mit ihren Lehrern waren wir davon ausgegangen, dass es mit der Versetzung noch klappte – und sie ein Auge zudrückten, zumal unsere Tochter nach den Ferien eh die Schule wechseln und eine Ausbildung zur Erzieherin
machen wollte. Einen Platz in der neuen Schule und für das Praktikum im Kindergarten hatte sie ja auch bereits „in der Tasche“. Aber dazu war nun mal Mittlere Reife die Voraussetzung.
Und nun das.
Was sollten wir bzw. unsere Tochter nun tun?
Wir setzten uns erst mal zusammen und beteten. Für mich heißt „beten“ auch lieben und das bedeutete für mich erst mal ganz praktisch, dass ich sie in die Arme nahm und tröstete.
Sie hatte ja ihr Bestes, was ihr in dem Jahr möglich war geleistet; sie hatte auch einige Herausforderungen zusätzlich zu bewältigen gehabt.
Und so machten wir uns gemeinsam erst einmal all ihre wunderbaren Qualitäten klar, die sie ausdrückte – und da kam einiges zusammen!
Wir erkannten, dass sie von Gott geschaffen ist, sehr gut und in keiner Hinsicht mangelhaft. Diese Etikette und die Gedankenmuster des Mangels und des Versagens, der Schuld, ließen wir nicht länger auf ihr ruhen.
Wir bauten sie auf, indem wir ganz klar empfanden, dass Gott und damit auch die Eigenschaften, die sie von Gott her ausdrückte ihren Wert ausmachten und nicht die Schulnoten (die Leistung eines Jahres).
Für uns hing ihr Wert auch nicht davon ab, ob sie nun die Klasse geschafft hatte oder nicht. Klar war das nun erst mal traurig, aber wir schimpften nicht und machten ihr keine Vorwürfe – wie auch, wir hatten selbst damals mal eine Klasse wiederholt,….;-)
(und im Nachhinein gesehen hatte uns das damals ganz gut getan).
Wir wussten, dass unsere Tochter ein toller Kerl ist und dass daran auch das Nicht – Bestehen einer Klasse nichts ändern kann.
Ob wir enttäuscht waren? Nein, nicht wirklich. Wir wollten unsere Kinder und somit auch uns eigentlich nie durch unsere eigenen Vorstellungen und Erwartungen unter Druck setzen. Sie sollten ihren eigenen Weg finden und dabei glücklich sein – und das muss nicht der Weg sein, den wir uns vorstellen.
Jeder Einzelne hat seine Verbindung zu Gott und wir vertrauten darauf, dass unsere Kinder das auch wissen und spüren, was für sie der richtige Weg ist.
Der anfänglichen Wut und dem Ärger gaben wir keine Macht mehr, denn es war klar, dass diese uns nur hindern und uns die Lösung nicht sehen lassen würden.
Aber:
Wir erwarteten eine perfekte Lösung – und dafür öffneten wir uns.
Ich telefonierte nun viel mit anderen Schulen, aber es sah so aus, als ob unsere Tochter die 10. Klasse auf ihrer alten Schule wiederholen müsste. Und das wollte sie partout nicht.
An einem Vormittag arbeitete ich dann mit folgendem Gedanken:
Sie hat ihren richtigen Platz von Gott – einen Platz, an dem sie sich wohl fühlt und an dem sie ein Segen ist, an dem sie gebraucht wird.
Ja, an dem sie ihre Eigenschaften sinnvoll für sich und andere einsetzen kann. Und diesen Platz, machte ich mir klar, kann ihr keine Macht der Welt nehmen.
Keiner schlechten Note, keinem Lehrer, keinem Umstand, ja auch keiner Ungerechtigkeit oder was es auch immer gewesen war, gab ich jetzt die Macht mehr, ihr den Platz zu nehmen, den ihr unser aller Vater-Mutter-Gott gegeben hatte.
Ein Fehler der Vergangenheit hatte einfach keine Macht sich im Jetzt auszuwirken – das war unmöglich.
Dieser Gedanke entlastete mich sehr und ich wurde dazu geführt, nochmals im Internet nach Möglichkeiten zu suchen, wie sie doch auf ihre Wunschschule und zu ihrem Wunschberuf kommen konnte.
Und dann entdeckte ich einen Passus, der besagte, dass Schüler im achtjährigen Gymnasium, dem G8, auch bereits nach der 9. Klasse des Gymnasiums auf eine berufliche Schule wechseln konnten. Und unsere Tochter war im G8 und hatte die 9.Klasse erfolgreich beendet.
Das war es! Wir telefonierten nochmals mit der neuen Schule. Als wir aber nach einigen Tagen immer noch nichts von ihr gehört hatten, hielt es unsere Tochter dann nicht mehr aus und rief selbst in der Schule an.
Sie kam heulend vom Telefon zurück:
dieses Mal waren es aber Tränen der Freude und der riesengroßen Erleichterung. Sie hatte ihre Zusage für ihre Ausbildung bekommen!
Das liegt nun auch schon wieder einige Zeit zurück:
unsere Tochter hat sich in der neuen Schule sehr wohl gefühlt, bekam sehr gute Noten (unter anderem auch ihr Fachabitur) und vor allem konnte sie an diesem Platz wunderbare Eigenschaften entfalten.
Im Rückblick gesehen war das für unsere Tochter genau der richtige Weg!